Ich reise gerne und viel, und am liebsten an die Orte, von denen ich keine Ahnung habe, was mich dort erwartet. Vielleicht ist das mein Gegenprogramm zu den uniformen Regelwerken und DIN-Normen, mit denen ich mich beruflich beschäftige. Dem Reiz des, für den durchschnittlichen Mitteleuropäer nahezu unbekannten, Kontinents südlich von Europa konnte ich mich da natürlich nicht entziehen.
Wie kann man besser diese enorme Vielfalt an Gerüchen, Bildern, Farben, Geräuschen und Eindrücken aufsaugen, als wenn man mit dem Fahrrad reist? Ich kann mich, ohne zu übertreiben, an nahezu jeden einzelnen der Tage dieser elfmonatigen Reise erinnern.
Mit kaum einem anderen Transportmittel ist man seiner Umgebung so gänzlich ausgesetzt. Das ist Segen, aber auch Fluch zugleich. Ich erinnere mich an einen Vormittag in Äthiopien, an dem ich rund 1000 Meter eine Serpentinenstraße hinauf keuchte, während mich eine Horde Kinder verfolgte, die mich offenbar als Ziel für ihre Steinwurfübungen gewählt hatten. Ich erinnere mich aber auch an den Moment, in dem sich das krachende Unterholz neben mir als ein Elefant entpuppte, der in der Baumkrone gerade gemächlich sein Abendbrot sammelte. Solche Erinnerungen vergisst man nie!
Sehr dicht besiedelte Regionen wie Uganda, Äthiopien oder Malawi waren besonders intensiv: Jeder spricht einen an, jeder schaut einen an. Wenn ich abends unvorsichtig bei der Wahl eines heimlichen Zeltplatzes war, dauerte es nicht lange und das halbe Dorf versammelte sich, um mich zu beobachten, bis die Sonne unterging. Das geschah selbst mitten im Busch, wenn ich weit und breit keine Dörfer ausmachen konnte. Manchmal ging ich also in die Kirche und bat den Pfarrer um Erlaubnis, dort schlafen zu dürfen. Ich musste mir irgendwann auch eingestehen, dass mich die Kultur in manchen Regionen oft ratlos zurückließ: Weder in China, Pakistan, der Mongolei noch dem Iran war mir das bislang so ergangen. Die Leute waren hier so anders… Manchmal wurde ich das Gefühl nicht los, ich radelte auf einem anderen Planeten.
Afrika, in meinem Fall Nordost- bis Südwest-Afrika, ist natürlich keinesfalls homogen: Vom arabischen Ägypten und Sudan über die gänzlich andersartigen Menschen in den Hochländern Äthiopiens, Ost-Südafrika mit seinen Bantukulturen (Kenia, Tansania, Uganda, Malawi, Sambia, Simbabwe) und das zunehmend europäisch geprägte Südafrika (Botswana, Namibia, SA) …
Um die Erlebnisse zu verarbeiten, war ich erleichtert, wenn ich dünn besiedelte Regionen passierte. In der namibischen Wüste fand ich hektarweise angenehme Zeltplätze. Abends kamen oft Tiere an das Zelt – am Anfang hatte ich immer große Angst, aber irgendwann mochte ich das – es sei denn, es waren Elefanten. Einmal überraschten sie mich beim Abendessen. Da musste ich gleich an den Elefanten im Porzellanladen denken und ich sah zu, dass ich davonkam.
Am Anfang meiner Reise hatte ich schon so meine Sorgen, vor allem vor den Vorurteilen: Löwen, Krieg und Kriminalität. Diese Sorgen legten sich jedoch, sobald ich vom Geschehen mitgerissen wurde. Von Konfliktregionen hörte man meistens schnell und mit Vorlauf, Kriminalität gab es hauptsächlich in großen Metropolen und man konnte in der Regel von den Einheimischen erfahren, wann zum letzten Mal Löwen in der Gegend gesichtet wurden. Ob man das Risiko, dort zu zelten dann einging, konnte ich selbst entscheiden.
Insgesamt habe ich in elf Monaten ungefähr 20.500 km zurückgelegt, davon 15.000 km mit dem Fahrrad. Einen Gesamtschnitt von etwa 80 km/Tag konnte ich letztlich verzeichnen. Ursprünglich wollte ich alles mit dem Rad fahren, aber Kriege, Banditen, Gewässer, pure Frustration oder die ägyptische Polizei zwangen mich teilweise auf Flugzeug, Bus oder Auto umzusteigen.
In Zukunft möchte ich weiterhin reisen, aber nicht mehr so lang. Es ist schwierig, sich nach dieser Zeit wieder zu Hause zu akklimatisieren. Unterwegs zu sein ist zwar schön, aber es braucht auch seine Pausen. Irgendwann sind die Sinne durch die vielen Eindrücke am Ende ihrer Aufnahmekapazitäten und der Kopf möchte nur noch eines: Einfach Ruhe...